Motor der deutschen Wirtschaft stottert - Quo vadis Mittelstand?

Der ifo-Geschäftsklimaindex rutscht im September 2022 auf 84,3 Punkte. Während die DAX-Konzerne Rekordgewinne einfahren, trübt sich die Stimmung im deutschen Mittelstand weiter ein. Kleine und mittelgroße Unternehmen geraten durch hohe Energiekosten und Materialpreise stark unter Druck. Das ist fatal für unsere Zukunft, denn der Mittelstand ist der Motor der Wirtschaft in Deutschland.

Bedeutung des Mittelstands Mittelständische Unternehmen tauchen nicht so häufig in den Medien auf wie etwa die bekannten Konzerne wie VW, Mercedes und Telekom. Sie arbeiten eher still und regional, dafür aber meist sehr erfolgreich. Nach Angaben des IfM Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn gab es 2020 rund 3,35 Mio. kleine und mittelgroße Unternehmen. Das sind 99,3 Prozent aller Unternehmen in Deutschland. Die EU zählt zu den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) Unternehmen, die bis zu 50 Mio. Euro Umsatz und bis zu 250 Beschäftigte haben. Sie erzielten 2020 einen Gesamtumsatz von 2,32 Billionen Euro und beschäftigten rund 19 Millionen Menschen. Das sind 54 Prozent aller Beschäftigten in Deutschland. Zieht man auch größere mittelständische Unternehmen hinzu, dann werden die Zahlen noch beeindruckender. Das zeigt, welche Bedeutung der Mittelstand für den Wohlstand und sozialen Frieden in Deutschland hat.

Krisenherbst Diese Erfolgsarchitektur gerät nun in Gefahr. Die Lieferkettenprobleme, Preisexplosionen und politischen Instabilitäten treffen mittlerweile alle Branchen. Selbst im Online-Handel gehen die Umsätze zurück. Alle bekannten deutschen Wirtschaftsinstitute korrigieren ihre Wachstumsprognosen nach unten. Manche sehen eine gleichzeitige Rezession und Inflation am Horizont, auch als Stagflation bezeichnet. Die Erzeugerpreise im August 2022 waren mit einem Anstieg um 45,8 Prozent außergewöhnlich hoch.

Branchenblick – Struktur Bei der Analyse der aktuellen Situation ist es gut, sich immer wieder die Branchenstruktur in Deutschland ins Gedächtnis zu rufen. Nach Angaben von Destatis war die Umsatzverteilung 2020 folgendermaßen:

Groß- und Einzelhandel 2,3 Billionen Euro,

Verarbeitendes Gewerbe 2,0 Billionen Euro (davon Automobil 439 Mrd. Euro, Maschinenbau 257 Mrd. Euro, Chemie 190 Mrd. Euro, Ernährung 185 Mrd. Euro, Metall 104 Mrd. Euro, Kunststoff 65 Mrd. Euro,)

Dienstleistungen 2,4 Billionen Euro (davon Energie 510 Mrd. Euro, freiberufliche, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen 358 Mrd. Euro, Bau und Grundstücks-/Wohnungswesen 473 Mrd. Euro, Verkehr und Lagerei 306 Mrd. Euro, Information und Kommunikation 270 Mrd. Euro, Finanzdienstleistungen 180 Mrd. Euro, Gesundheits- und Sozialwesen 100 Mrd. Euro sowie Sonstige 224 Mrd. Euro).

Wir erleben gerade in Deutschland einen krisenbedingten neuen Strukturwandel. Das Verarbeitende Gewerbe verlagert seine Produktion zunehmen ins Ausland. Türkei, Ungarn, Portugal und die USA stehen aktuell hoch im Kurs. Manche sprechen schon von einer Deindustrialisierung Deutschlands. Handel und Dienstleistungen werden daher zukünftig dominanter.

Lösungen Die Hilferufe der Branchenverbände und einzelner Mittelständler werden lauter. Es wird an die Politik appelliert, die Energiekosten kurzfristig in den Griff zu bekommen. Doch auch bei der Infrastruktur, Bildung und der Entbürokratisierung gibt es einen Reformstau.

Aber jedes mittelständische Unternehmen muss in der aktuellen Krisenzeit auch selbst handeln. Dazu zählt, die traditionellen Stärken des Mittelstands wie Mut, Erfindungsreichtum, Kundennähe, Flexibilität, Teamspirit und regionale Verankerung zu stärken. Verbessert werden müssen dagegen z. B. die Bündelung der Schlagkraft durch Kooperationen, um Innovationen auch im digitalen Zusammenhang schneller hervorzubringen.

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