Ganz ohne erhöhten Leitzins: Warum die Zinswende schon längst da ist

Da kann die EZB noch so lange zögern – die Zinswende ist eigentlich schon lange da. Am Anleihemarkt hat es gekracht, dafür winken Neueinsteigern endlich wieder zählbare Renditen. Wir nennen einige Zahlen, die das eindrucksvoll bestätigen, und die eine Ausnahme.

Im Juli soll es endlich soweit sein: Die Europäische Zentralbank (EZB) will den Leitzins erhöhen. Nach ziemlich genau elf Jahren endlich mal wieder. Doch auch wenn die Währungshüter aus Frankfurt lieber kleckern als klotzen – die Zinswende ist ohnehin schon da. Das hat nämlich der Markt übernommen. Schuldner können schon mal den warmen Pulli aus dem Schrank holen, und Anleger – auch die Inhaber klassischer Lebensversicherungen oder gar von Garantiekonstrukten wie der Riester-Rente – können sich über Renditen freuen, die diesen Namen wieder verdienen.

Das liegt an zwei parallel laufenden Entwicklungen. Einerseits kauft die EZB seit Monaten weniger Anleihen am Markt und jetzt sogar gar nicht mehr. Das senkt die Nachfrage um Milliardenbeträge und geht somit an den Kursen nicht spurlos vorbei. Andererseits lässt die weit über 7 Prozent gestiegene Inflation Anleger anspruchsvoller werden – sie lassen sich nicht mehr mit Renditen unter einem Prozent oder gar unter null abspeisen.

Es ist der kleine feine Unterschied zwischen dem sogenannten langen und dem kurzen Ende an der Zinskurve, also langen und kurzen Laufzeiten. Am kurzen Ende liegt der Leitzins, den die Zentralbanken bestimmen. Das lange Ende bestimmt aber der Markt, Zentralbanken können es nur beeinflussen, indem sie Anleihen kaufen. Und dort greifen Faktoren wie Inflation, Schuldnerqualität, Geldmengen, Wirtschaftsaussichten.

Die Zeche müssen natürlich die Schuldner zahlen. Nehmen wir als Beispiel Italien. Gemessen am Index für italienische Staatsanleihen stieg dort die Rendite seit Jahresanfang um 2,2 Prozentpunkte von 0,8 auf fast 3 Prozent. Entsprechend verloren die bestehenden Papiere an Wert, mit dem Index ging es seit Jahresende um 14,0 Prozent abwärts.

Das wirkt sich zwar nicht direkt auf den Schuldendienst aus, weil bestehende Anleihen ja einen festen Kupon haben. Die Zinslast bleibt zunächst gleich. Aber sobald Italien Anleihen zurückzahlen und refinanzieren muss – Staatshaushalte sind ja im Grunde Schneeballsysteme –, muss es dafür dann zeitgemäße Zinsen zahlen.

Warum die nächsten Eurokrise nicht sofort eintritt

Und selbst das muss noch nicht gleich wehtun. Im kommenden Jahr zum Beispiel werden italienische Staatsanleihen im Gesamtwert von 305 Milliarden Euro fällig. Die größte davon mit einem Nominalbetrag von 23,4 Millionen Euro am 1. August. Doch sie stammt aus dem Jahr 2008 und hat einen Zinskupon von 4,75 Prozent. Wenn Italien den durch den heutigen Zins ersetzen würde, würde es sogar noch Zinsen sparen. Eine andere Anleihe stammt sogar noch von 1993 und hat einen Kupon von 9,0 Prozent. Zugegeben, das sind Extremfälle. Sie zeigen aber, dass Italien durch den aktuellen Renditeanstieg noch nicht sofort in eine neue Eurokrise schliddert. Das kann noch dauern.

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